Weltreisende.
Die Backpacker Typologie, Teil 1.
Seit 6 Monaten reise ich nun als Weltreisender und Backpacker um die Welt! Gelegenheit, einmal Gedanken schweifen zu lassen und zu ueberlegen: Welche Herrschaften reisen da eigentlich so mit, Unterwegs meine ich? Weltreisende – Eine kleine Backpacker-Typologie.
Backpacker-Typ 1: Der perfekte Reise-Führer
Er ist richtig rumgekommen und war schon überall. Der enorme Erfahrungsschatz dieses Weltreisenden ist unendlich. Wie hieß gleich dieser kleine Ort, ganz im Norden der Mongolei, der auf keiner Karte zu finden ist? Und diese fast unbewohnte Tauch-Insel im Halmahera Meer?
Einerlei – er kann Dir ein Ranking machen und fundierte Aussagen darüber, was man gesehen haben muß und was man sich besser spart: Das beste Hotel, das beste Restaurant, der beste Strand, Pool, Wasserfall, … – you name it. Das Praktische: Hat man ihn einmal getroffen, muss man nicht mehr selbst reisen. Es gibt nichts mehr zu entdecken, denn der perfekte Reise-Führer war schon dort. Und das Beste: Er teilt mit Dir, denn er möchte hören, wie beeindruckt Du bist.
Hakt man einmal nach (was man besser nicht tut), stellt man fest, daß er nur die Reiseführer-Highlights selbst bereist und den Rest im National Geographic oder Tchibo Reisemagazin nachgelesen hat. Reist Du doch selbst, wäre das nicht dasselbe, nur wie eine verblasste Fotografie seiner einstmals einzigartigen Pionier-Erfahrung. Davor kann er Dich nur warnen („Schenk Dir das! Fahr gleich nach…“). Alles ungefragt, natürlich.
Er ist bestens vorbereitet und mit ihm reisen iPhone, iPad („Da hab ich ne super Slideshow von der letzten Sudan-Reise drauf…“), eine Canon EOS 5D Digitalkamera, GPS und weitere Gadgets – alles Weltneuheiten, die man aber nie, nie, nie braucht. Ein typischer Satz von ihm: „Koh Phi Phi?! Ist nicht mehr das, was es vor zehn Jahren war. Ich war das erste Mal vor über 15 Jahren dort…“
Seine Reiseziele: Macht er eine Weltreise, dann besichtigt er 20 Länder in 8 Wochen, die zu Hause heroisch auf der großen Weltkarte mit bunten Fähnchen als erobert gekennzeichnet werden.
Im Fotoalbum: Ein Foto mit einer Nahaufnahme von einem Tier oder einer Pflanze. Etwas, was Kein Mensch je vor ihm zu sehen bekommen hat und kennt. Der angebliche Name läßt sich auch beim dritten Mal nicht fehlerfrei aussprechen, sodass er Dich jetzt nochmals korrigieren muss. Dein Bild vom Koala Bären? Den „Wie niedlich“-Kommentar darfst Du als großes Zugeständnis werten.
Backpacker-Typ 2: Der Lonely-Planet-Gläubige
Ohne dieses Buch traut sich Robinson Crusoe nicht aus dem Haus. Dieses Buch der Bücher ist Lebensversicherung und Bausparvertrag. Meist hat er nur eine Hand frei, weil er in der anderen das Buch hält, einen Finger als Lesezeichen in die Seiten geklemmt. Weil er gerade wieder im „Planet“ nachschlägt, verpasst er im Vorbeilaufen den schönen Tempel, nach dem er eigentlich sucht, weil man den unbedingt sehen muss.
Seine gesamte Reiseroute besteht aus Lonely Planet Kapiteln, wie die Bausteine aus dem Katalog eines Pauschal-Urlaubs („Also nach Bali will ich unbedingt noch nach Lombok und auf die Gillis!“). Der Planet entscheidet, was ihn interessiert. Er bucht vor Ort Touren zu Stränden, Tempeln, Parks und anderem angeblich Sehenswertem, das ihm vom Planet empfohlen wird.
Läuft die Stadtrundfahrt in Indien nicht ganz so rund wie beschrieben, stößt dies zwar auf vorübergehendes Unverständnis („Der Anbieter stand doch im Planet!“), gibt aber noch lange keinen Anlaß, seinen Glauben zu verlieren („Die Inder machen hier auch was sie wollen… Im Planet steht…“). Identisch erfolgt die Auswahl von Hotels und Restaurants. In das hotelnahe Restaurant schlendert er jeden Abend ganz gechillt zu Fuß rüber („Hatte da gestern das beste Curry meines Lebens…“). Dass das kleine sympathische Restaurant direkt neben der Empfehlung auch gut sein könnte… Es ist nicht im Planet. Er urlaubt auf Autopliot. Typischer Satz, mitten in der belebten Marktstrasse – gespickt mit Straßen-Lokalen: „Also, hier steht, Bamboo Restaurant hat das beste Bami Goreng. Wir müssen die nächste dann rechts abbiegen. Ich sehe aber keine Straße, die nach rechts abbiegt…?!“
Seine Reiseziele: Asien. Gibt es noch andere Kontinente, die man bereisen kann?
Im Fotoalbum: Ein Foto von einem leeren(!) tahiländischen Strand an dem ein(!) Longtail Boot angelegt hat, um zu zeigen, wie traumhaft individuell, einzigartig und ruhig sein Einsame-Insel-Urlaub war, und, um möglichst von allen Daheimgebliebenen bei Facebook einen „Neid“-Kommentar abzustauben.
Backpacker-Typ 3: Der Party-Macher
Er kennt die besten Party-Locations mit kostenlosen Drinks. Und alle Frauen. Er ist auf jedem Urlaubsbild zu sehen. Nie allein, immer ist jemand mit auf dem Bild. Meist sind alle, die auf dem Foto zu sehen sind, betrunken. Denn der letzte Abend war einfach der Hammer! („Dass Du daaa noch stehen konntest, brutaaal!“).
Er verbringt den Tag im Hostelbett und die Nacht im Club. Dabei hat er immer Angst etwas zu verpassen, muss daher in der Hotellobby umherwuseln und liebt es jedem bereits beim Checkin mit maximaler Lautstärke seine Geschichte zu erzählen und dass man willkommen sei, später ordentlich mit Party zu machen. Morgens um 5 Uhr macht er das Deckenlicht im Schlafsaal an und weckt damit alle anderen, weil er unbedingt jetzt etwas Wichtiges aus seinem Schließfach unter dem Bett herausholen muss, das in eine raschelnde Plastiktüte verpackt ist. Das Schließfach hakt leider irgendwie. Darum tritt er jetzt hämmernd mit den Füßen dagegen und flucht lautstark lallend. Im Verlauf des nächsten Tages klärt sich auf, dass er Schrank Nummer 6 und nicht Nummer 9 besitzt.
Den Urlaubsort kennt er nur von den Postkarten, die er vor dem Abflug am Flughafen kauft. Er fragt Dich zum dritten Mal innerhalb einer halben Stunde nach Deinem Namen und woher Du kommst und sagt dann: „Germany, cool! Been to Amsterdam – best place in Germany! I give you two days and you are in my mode.“
Seine Reiseziele: Alle mit Mallorca artverwandten Landstriche in Asien und Australien, mit Strand und großen Hotelanlagen, in deren Hotelbars die Happy Hour ab 12 Uhr mittags einlädt.
Im Fotoalbum: Ein Foto von einem Chicken Fight in Bali oder eines, auf dem sich alle mit einer Bierflasche zuprosten und mindestens eine Person die Zunge herausstreckt und eine weitere mit einer Hand fest die Brust einer Frau umfaßt.
Zum 2. Teil: Welcher Backpacker Typ bist Du?
8. April 2012 6 Kommentare
Bali. Ubud Hanging Gardens.
Bali. Ubud Hanging Gardens.
Der von der Handwerks-Innung praemierte Lehrfilm, der anleitet, wie man einen Swimmingpool fuer Daheim baut.
28. März 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Ubud. Komm Suesser Tod.

Manchmal ist das Universum wunderbar grosszuegig mit einem.
Nein, ich hatte nicht Eat, Pray, Love gelesen.
Nein, ich wusste nicht, was Ubud ist.
Nein, ich wollte nicht hierher.
Und doch bin ich ein zweites Mal gekommen. mehr…
26. März 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Bali. Take my breath away.
Mit einem Mal befindest Du dich oben. Wie schwebend. Ueber allem anderen. Unten das Gewoehnliche, oben: im Fluss, strahlend, klar. Das Adrenalin animiert zu Mut. Und dem Sein. Angst ist laengst nur noch Zutat. Kein Denken. Einfach Sein. Hier beginnt das Schoene. Und es nimmt Dir den Atem. mehr…
25. März 2012 2 Kommentare
Adelaide. Ein Traum von einem Zug. In 65 Stunden durch den Kontinent.
4.500 Kilometer bis zum Ziel. Vom Pazifischen zum Indischen Ozean: Der Indian-Pacific Zug verbindet Sydney und Perth. Der Zug ist das Traumschiff auf Schienen. Die Transsibierische Eisenbahn der suedlichen Hemisphere.
Um gepflegte Kleidung waehrend der gesamten Reise wird gebeten und gemeint ist damit offensichtlich eine Kombination aus Khaki-Shorts und weissen, straff gezogenen Tennissocken, denn diese kleidende Kombination traegt ausser mir jeder an Board. Ich fuehle mich unerhoert ausgegrenzt. Ich sitze wie ein Kind auf der Schaukel in meinem famos komfortablen Reise-Sessel und strecke die Beine aus, ohne dabei den Vordersitz zu erreichen. Die dritte Klasse des Indian-Pacific uebertrifft die First Class der Lufthansa. Nur, hier wird ueberwiegend mit grossen Rucksaecken gereist, auf denen Laenderflaggen aufgenaeht sind, und nicht mit siebenteiligen Louis-Vuitton-Koffersets. mehr…
15. März 2012 2 Kommentare
Adelaide. I Can Make You German.
Was macht ein Deutscher, wenn er einen anderen Deutschen im Ausland trifft? Er startet einen Wettbewerb, moeglichst nicht als Deutsch aufzufallen. Und was macht ein Australier, wenn er einem Australier begegnet? Er freut sich, laedt ihn zum Bier ein und beginnt ueber die Queen zu laestern.
Paco Erhard macht Stand-Up Comedy. I can make you German heisst sein Programm, und es ist ausgezeichnet beim Edinburgh Comedy Festival. Paco zeigt, wie die Deutschen ticken: Ueberwiegend anders, als der Rest der Welt. Das Problem: Niemand da draussen mag die Deutschen. Das noch groessere Problem: Dieses Selbstbild haelt sich so hartnaeckig, wie es falsch ist. Vor allem unter Deutschen. Die Welt mag die Deutschen – sie wissen es nur nicht. Und das liegt unter anderem daran, dass sie nicht wissen, wer sie sind – oder sein wollen.
Paco fragt das Publikum, wer schon einmal mit einem „echten Deutschen“ gesprochen hat und macht ein paar Nazi -Anspielungen. Dies ist der weltweit bekannte Teil der deutschen Identitaet und so funktionieren diese Pointen und werden mit Lachern und Applaus belohnt. mehr…
14. März 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Full Moon, ohne Party.
Auch schon mal den Mond vor lauter Mondschein nicht gesehen? Mach Dich nicht verrückt! Man muß es nur verstehen. Manchmal, bedarf es einer Kraft von außen, zur Orientierung: „Ist er nicht wunderschön?“, fragt eine zarte Stimme, dicht hinter mir.
Ich drehe mich zu der Stimme um und schaue in ein hübsches, lachendes Gesicht, das halb von Rastalocken verdeckt wird und zu der zarten Stimme gehört. Als ich mich umdrehe, stehe ich unverändert mit leicht geöffnetem Mund da – mit dem Mond in den Augen, eine Antwort schuldig. Mein Lachen weiß Bescheid und duldet einen stillen Mund. mehr…
9. März 2012 2 Kommentare
Sydney. INCUBUS live, Hordern Pavilion.
„If Not Now, When?“ Zeit fuer Neues, haben sich INCUBUS gesagt und eine Pop-Platte gemacht. Wenn eine Band sagt, sie wolle sich weiterentwickeln, ist das, wie ein Fussballspieler, der einer neuen Erfahrung wegen ins Ausland geht, um sich weiterzuentwickeln, dabei aber nur mehr Geld verdienen will, als bei seinem bisherigen Arbeitgeber. Das spannende an INCUBUS neuer Platte ist, mehr…
3. Februar 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Newcastle. Hai-Angriff im Overlook Hotel.
Der Hai hatte gewildert, war aber längst verschwunden. Spurlos. Nun eroberten die Menschen das Spielfeld zurück. Sie kamen, um zu sondieren. Nachsehen, was geschehen war – und lieber noch: wittern, was widerfahren könnte. mehr…
19. Januar 2012 5 Kommentare
Herr Markus wokkt den Rock.
Ohne Trang wäre ich heute zweimal gestorben. No pain, No gain! wurde auf die Holztafel gekritzelt. Ohne Schmerz, kein Gewinn. Man könnte auch sagen: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Der Rasta-Mann hinter der Holztheke macht irgendwie an der silbernen Kaffekanne herum. Wie beim Marlboro-Mann umschließen seine Lippen einen schief herunterhängenden Zigarettenstummel. „Wanna smoke?“, lädt er mich routiniert ein. Ich winke ab. Ich will den dreißig Meter hohen Felsen erklettern, der sich hinter seiner kleinen Kaffeebar in den blauen Himmel streckt.
An seinem Faden hängt mein Leben
Berauschendes betäubt, trübt die Wahrnehmung, spielt der feinen Motorik Streiche, wie Max und Moritz dem Schneider Böck. Der Gedanke an den Griff zur Filterlosen berauscht mich gerade nicht. Da ist der Satz von Tocotronic, der mir mahnend in den Sinn kommt: „Ich will nüchtern für dich sein.“ Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. So hatte ich es durch ein Kopfnicken mit seiner Holztafel abgemacht.
Die Insel Rai Leh ist ein erhabener Ort zum Klettern, weil die Aussicht über türkisblaues Meer, sattgrünen Dschungel und babyblauen Himmel von einmaliger Schönheit ist. Trang trägt ebenfalls eine Rasta-Frisur, dazu eine Ray Ban Sonnenbrille und Flipflops. Er wird mich beim Klettern mit einem Seil sichern. An seinem Faden hängt mein Leben.
Angst und der Albtraum von Herrn Kaiser
Ich will von Trang wissen, was die größte Herausforderung beim Klettern ist, das größte Hindernis, ganz oben anzukommen. „Die Angst“, antwortet Trang schlicht. Ob er denn Angst habe, frage ich. Ja, lacht er laut los, die habe er. Ich klettere heute zum ersten Mal. Trang täglich – seit fünfzehn Jahren.
Neulich las ich, es gebe zwei Arten von Helden. Positive und Negative. Bei einem negativen Helden gehört die Kreuzigung dazu. Dafür bringe er die größere poetische Kraft mit. „Kannst Du Dich nicht fallen sehen?“, maulen Tocotronic weiter.
Überhaupt, die Angst: Was uns da alles die Sinne flutet. Richtige Jeans? Lob vom Chef? Werde ich sterben? Wird sie Ja sagen? Wird er Ja sagen? Bin ich schön? Dick? Häßlich? Terroranschlag? Wann? Wo? Wieviel ist der Euro wert? Wie warm wird die Erde? Hält die 30er Sonnenmilch? iPhone, weiss oder schwarz? Reicht die Rente? Bekomme ich das Eis von meiner Windschutzscheibe gekratzt? Wird Philipp Rößler Bundeskanzler?
Alles Ängste. Bemerkenswert, wieviele davon wir aushalten. Und wieviel Geld wir ausgeben, um sie auszuhalten oder uns von ihnen zu befreien. Auf meiner Reise bin ich bislang nur zwei Ängsten begegnet: Mehreren Augenpaaren in Indien, die mich nach Essen für den nächsten Tag und ein wenig vom Leben anflehten. Und – heute – Trangs Angst von einem Berg zu fallen.
Meine Lebensversicherung ist 9 Euro 99 wert: Ein sechzig Meter langes Seil. Hinzuaddiert werden muss Trang, ein Rasta-Mann, der Mariuahna zum Frühstück inhaliert und dieses Seil nun in seiner Hand führt. Trang ist der Albtraum von Herrn Kaiser. Den kriege ich so schnell nicht assekuriert.
Jede Versicherung hätte Angst. Doch Angst bedrängt, engt ein, Angst bescheißt einen. Ich nehme den Rat von Danny an, der Frau, die mir in Phuket die Haare schnitt: Nicht nachdenken, mehr Gelassenheit. Die Götter würden sich ohnehin nicht für mein sterbliches Leben interessieren. Danny muss den Philosophen Stoa studiert haben, sage ich mir.
Entschlossen und furchtlos schaue ich daher der Felswand entlang nach oben bis in den Himmel. Ich suche nach Möglichkeiten, meine Hände in den rauhen Felsen zu vergraben, um Halt an dem Monoliten zu finden, der im 90 Grad Winkel in den Himmel ragt.
Wie ein angezählter Kirmesboxer
Trang sitzt hinter mir im Schneidersitz auf dem Boden. Vor ihm liegt, wie zu einem Schneckenhaus aufgerollt, die Schnur, an deren anderem Ende ich befestigt bin. Ich habe bereits zehn Höhenmeter hinter mir gelassen. Unter- und Oberarme sowie meine Hände beginnen Schmerzsignale an mein Gehirn zu telegrafieren. Das Vergnügen kann also nicht mehr weit entfernt sein, vertraut man der Weisheit der Holztafel.
Außerdem denke ich ja nicht. Ich bin gelassen. Sonst nichts. Sollen Arme und Kopf das unter sich ausmachen. Ein Brennen durchzieht meine Arme, während sich die kleinen spitzen Felsvorsprünge wie Stahlnägel in die Handinnenflächen bohren. So muss es sich anfühlen, wenn man gekreuzigt wird.
Ohne Schmerz gibt es ab hier kein Höhengewinn mehr. Also weiter, nach oben. Ich atme schwer und muss mehr mit den Beinen arbeiten. Ich muss mich so nach oben drücken, um schneller an Höhe zu gewinnen und Kraft zu sparen. Denn je mehr Zeit beim Suchen des richtigen Weges verstreicht, desto mehr Kraft kostet der Aufstieg.
Als ich mich mit dem rechten Bein abdrücke, um einen weiteren Felsvorsprung zu überwinden, und mit der rechten Hand mein anviesertes Ziel, einen kleinen Felszacken, ergreife, rutsche ich mit der Hand davon langsam wieder ab. Es ist warm und rauh. Und es ist rutschig. Ich habe zu wenig Magnesiumpulver an der verschwitzten Hand. Vor allem: mir bleibt kein Sauerstoff zum atmen und keine Kraft, um fest genug zuzupacken.
Ich habe plötzlich keinen Halt mehr. Mein Gewicht ist nun zu gross, als dass ich meinen gesamten Körper mit nur einer Hand am Felsen halten könnte. Ich stelle fest, dass ich nicht Tom Cruise bin und die Mission sehr wohl unmöglich ist. Ich falle nach hinten. Das lose Seil spannt sich mit einem Ruck. Ich hänge nun waagerecht in der Luft, meine gestreckten Beine suchen Halt am Felsen, damit ich nicht in der Luft taumele, wie ein angezählter Kirmesboxer. Von unten grinst mich Trang an. „Got you, my friend!“, ruft Trang hinauf. Herr Kaiser atmet auf. Ich auch.
Ich nutzte die Gelegenheit im luftigen Exil, raste und atme. Den Blick weit gestellt. Ich blicke direkt auf das schlafende Meer in der Ferne, das sonnenbestrahlt zurückfunkelt. Hier möchte ich bleiben. Ich habe ewig Zeit.
Bis zum höchsten Punkt, pendeln Gedanken hin und her
Trang aber drängelt, treibt zu weiterem Höhengewinn an. Aber ich hatte doch schon Schmerzen, regt sich mesolimbischer Protest. Vermutlich ist seine Zigarette ausgeraucht und er benötigt Nachschub, sage ich mir. Das wäre zu begreifen. Es sind noch zehn Meter bis zum Gipfel. Leider ist kein Tom Tom zur Hand, dass den genauen Weg dorthin vorgibt.
Ich klettere weiter bis zum höchsten Punkt. Meine Gedanken pendeln hin und her: Der Vorsprung da vorne rechts sieht gut aus. Ist aber klein. Das Loch da schräg oben könnte gehen. Doch, kein Absatz dort, um meinen Fuss abzustellen. Doch lieber weiter links versuchen? Weil alle Kraft entwichen ist und ich nachdenke, werde ich unvorsichtig, trete zu schnell und unsicher mit dem linken Fuss in eine Felsspalte und rutsche wieder ab. „Got you, my friend…!“
Ich lasse mich nach unten abseilen, nachdem ich den Gipfel erreicht habe und bin glücklich. Weil ich meine Angst niedergerungen habe und ich zweimal davongekommen bin. Ich umarme Trang und bedanke mich bei meinem Helden.
Zurück beim Rasta-Mann an der Theke, bestelle ich eine Tasse Chai Tee. Er holt einen großen Mörser hervor und stellt ihn auf die Theke. Darin zerkleinert er im Rhythmus der Musik eine Handvoll Kardamon Früchte und grinst mich dabei an. Weitere Zutaten bleiben sein Betriebsgeheimnis. „Fear no good, my friend“, sagt er und zieht genußvoll an seiner Zigarette. „Wanna smoke?“, fragt er mich erneut und monoton.
Ich aber lächle. Ich bin bereits berauscht und trinke ohne Angst und voller Gelassenheit meine Tasse Tee, unten, bei den Fussballspielern am Strand.
13. Dezember 2011 2 Kommentare


