Pjöngjang.
Bonbons aus Wurst.
Neulich wollte ich nach Pjoengjang einreisen. Der dortigen staatlichen Berichterstattung hatte ich entnommen, dass der upgedatete Herrscher Kim Dingsbums Zwopunkteins, anlaesslich seines Geburtstages, an jedermann der sich als Kind ausweisen kann, ein Kilo Bonbons verschenkt.
Der Reiseprospekt schuerte handfeste Hoffnungen: Explosionen der Freude wuerden das gesamte Land ueberkommen, wie die grosse Flut, die selbst den hoechsten Berg in Nordkorea, den Paektusan, ueberschwemme. Ja, Momentchen mal, gruebelt der aufmerksame Leser prompt. Also, der Schreiberling ist doch nun schon einige Jaehrchen aus seinen Kinderschuhen herausgewachsen. Das sei einem aus atombombensicherer Quelle in Pjoengjang zu Ohren gekommen.
Richtig! Aber da ist immer noch mein Kinderausweis, schwenke ich ein zerfleddertes gruenes Bundesdokument durch die schneidende Winterluft, solange, bis alle Eisblumen Nordkoreas sublimieren.
Die Vorstellung, einen dusseligen Despoten mit einem betagten Kinderausweis in der Hand zu begruessen, sei nicht gruseliger, als das Kalkuel, einem hungerleidenden Kind ein Kilo Bonbons zu schenken, denken Sie? Wieder richtig! Immer noch besser, als Eis am Stiel und Blumen zu verschenken, die in Folie aus Cellulosehydrat gehuellt sind. Ein solcher Sachverhalt laege naemlich ganz und gar nicht im Interesse der schwungvollen Biobewegung, schnauzt Kim Zwopunkteins zurueck.
Aber, aber. Ist doch viel zu kurz gesprungen, liebe Herrschaften und Angehoerigen der Weltfamilie. Hierbei handelt es sich ja nicht einmal um unreifes Gehuepfe, so eines, wie frueher bei der Gummihopse auf dem Schulhof. Gummihopse? Pah, nur etwas fuer Maedchen, keimt kurzfristige Kritik auf. Nun essen Maedchen wie Buben und beiden spendet ein Kilo Wurst 2000 Kalorien Energie. Das entspricht dem Tagesbedarf eines zehnjaehrigen Kindes. So etwas will gut abgewogen werden! Selbst wenn die Wurst duenngeschnitten wird.
Warum eigentlich Wurst? Ruft nun wieder einer der Ewiggestrigen oder Altvorderen. So genau laesst sich das gerade gar nicht mehr darlegen. Na, weil so ein Schuh draus wird, natuerlich, deshalb, schallt die Antwort aus dem Wald zurueck. Denn auch hier muss man zur Kenntnis nehmen, dass der laufende nordkoreanische 5-Jahresplan gerade im Jahr der Wurst eintrudelt und wir daher couragiert annehmen sollten, dass Machthaber dort Bonbons aus Wurst verschenken. Bonbons aus Wurst, die morgens von Kinderschuhen aus, glueckliche Kindergesichter um den sinnlichen Verzehr anflehen.
So lasst uns denn ein Sammelbriefchen nach Pjoengjang senden. Elvis performt im Rundfunk. Es steht nicht gut. Return to Sender. Vertreter und Maechtige der Lebensmittel-Mafia moegen freierdings einwenden, man koenne ersatzweise doch viel, viel lieber Fruchtpulp nach Nordkorea verschiffen. Wahlweise wuerde man dies auch von Rosinenbombern abwerfen lassen koennen. Zum Beispiel das Fruchtpulp einer thailaendischen Stinkfrucht.
Oh weh, dann tapeziert ja eine Welle des Odors statt der Freude mein mieffreies Reich! Nein, nein, das moechte ich lieber nicht, meldet sich Kim Dingsbums schon wieder in plaerrendem Duktus von seinem Streitwagen aus zu Wort. Und ausserdem kommt mir hier nur Hunde- und mitnichten Fruchtfleisch auf die Speisekarte, denn das zementiert das nordkoreanische Durchhaltevermoegen in den schon hastig heraneilenden Hitzemonaten. Da lausche ich doch eher der Scheibe „Freaks“ von Pulp auf meinem Telefunken Koffer-Turntable.
Ach ja, eine Frage zum Abschluss: Was haben Freaks und Kinderausweise gemeinsam? Na, gar nuescht, vernehmen wir eine Erwiderung aus dem Osten. Aber das Kim Dingsbum Zwopunkteins meinen Kinderausweis bei der Einreise abstempelt – ich waere nicht beleidigt wie Hundewurst, wenn nicht.
15. Januar 2013