Andreas Altmann:
„Spüren, dass hier der „thrill“ umgeht.“
Andreas Altmann ist preisgekrönter Reiseautor, Schriftsteller und „Mitinhaber der Welt“. Sein letztes Buch „Das Scheissleben…“ war monatelang auf der SPIEGEL- Bestsellerliste. Nun hat Andreas Altmann eine „Gebrauchsanweisung für die Welt“ geschrieben, die neu im Piper Verlag erschienen ist. Weltreisender.in gab Altmann ein Interview und beantwortet, wie es unterwegs ist, wenn er als Schriftsteller durch die Welt reist.
Herr Altmann, in Ihrem neuen Buch „Gebrauchsanweisung für die Welt“ fordern Sie dazu auf, die Welt zu bestaunen, nicht zu gebrauchen. Wie geht das?
AA: Erschreckend einfach, denn nur ein Einziges entscheidet über den Wert einer Reise und den Sinn des Fortgehens: die mitgenommene Neugier, der Wissensdurst, die Freude am Entdecken, der Hunger nach allem.
Sie haben über 100 Länder bereist. Was haben Sie überall wiederentdeckt? Was ist in allen Länder gleich?
AA: Wie verschieden die Menschen sind. Und wie sie sich ähneln.
Was überrascht Sie noch auf Reisen?
AA: Alles das, was mich darüber informiert, wie ignorant ich noch immer bin.
Wie reisen Sie: Planen oder treiben lassen?
AA: Weder noch, dafür: ACHTSAM sein.
Wenn Sie Ihre erste Reise als Autor mit Ihrer letzten vergleichen, was hat sich verändert?
AA: Die Höhe meines Bankkontos. Die Tiefe meiner Depressionen. Die Anzahl meiner Melancholieschübe. Das Wissen, dass uns – unheilbar gierig – nicht zu helfen ist.
Wenn Sie einen neuen Ort erreichen, was interessiert Sie, wohin fällt ihr Blick? Was wirkt beim Reisen am stärksten auf Sie: Angst, Leid, Freundlichkeit, …?
AA: Alles interessiert mich, der Blick sucht überall. Immer und in jedem Augenblick will ich offen bleiben für Schönheit, Hässlichkeit, menschliche Dummheit und unerwartete Anmut.
Woran bemerken Sie, dass Sie sich an einem Ort wohlfühlen?
AA: Sobald ich spüre, dass hier der „thrill“ umgeht, die Aufregung.
Sie lieben die deutsche Sprache. In welcher Sprache sprechen Sie bei Ihren Begegnungen mit den Menschen?
AA: Wohl die, die sie dort sprechen, denn in Hinterindien, zum Beispiel, gibt’s kein Deutsch. Spreche ich – meist – nicht die Sprache der Einheimischen, dann muss ein Dolmetscher her. Um den anderen entweder auf Deutsch oder Französisch oder Spanisch oder Englisch zu übersetzen.
Sie haben viele Menschen unterschiedlicher Kulturen getroffen. Was beeindruckt Sie an diesen Menschen?
AA: Oft die Kraft, mit der sie ihr Scheißleben aushalten.
Genießen Sie Momente auf Reisen, in denen Sie hilflos sind, keine Sicherung, Absicherung besteht?
AA: Hilflos? Nijet, immerhin nehme ich auf jede Reise mein Hirn mit.
Woran merken Sie, es ist Zeit aufzubrechen, weiterzureisen?
AA: Wenn ich ranzig werde. Wenn kein thrill mehr mich heimsucht.
Ein Mann, den Sie gerne getroffen hätten, ist Albert Camus. Von ihn stammt der Satz: „Reisen bringt uns zu uns zurück.“ Stimmt das?
AA: Na klar, wir lernen beim Reisen, wenn wir denn bereit sind, immer drei Dinge kennen: die Welt, die Weltbewohner, uns.
Was war das wichtigste, dass Sie durch das Reisen gelernt haben, was sie vorher nicht wussten?
AA: Dass das Leben das Kostbarste ist, was wir haben.
Welcher Mensch und welches Buch haben Sie am meisten inspiriert und zum Reisen gebracht?
AA: Viele Frauen und Männer, viele Bücher.
Was denken Sie über Rückkehr nach einer Reise?
AA: Halleluja, ich bin wieder einmal davongekommen, Halleluja, ich habe den gräulichen Stress hinter mir.
Menschen, die längere Zeit reisen, denken über Heimweh und Heimat nach. Welche Bedeutung hat Heimat für Sie als „Mitinhaber der Welt“?
AA: Eine große. Paris ist meine Heimat. Und die deutsche Sprache.
Welche drei Dinge gehören immer in Ihr Reisegepäck?
AA: Mein Weltempfänger, meine Kreditkarte, mein Mac Air.
Woran/Wann bemerken Sie im Ausland typisch deutsche Eigenschaften an Ihnen?
AA: Dass ich oft ein verspannter Arsch bin, statt mit Swing und Coolness mit dem Leben umzugehen.
Das Partnerland ITB-Reisemesse in diesem Jahr ist Indonesien. An welche Anekdote erinnern Sie sich gerne dort zurück?
AA: Zur ITB Reisemesse äußere ich mich nicht.
Sie haben schon so viele Länder gesehen. Wohin möchten Sie unbedingt noch reisen?
AA: Immer dahin, wovon ich weniger doof zurückkehre.
8. März 2013
2 responses to Andreas Altmann:
„Spüren, dass hier der „thrill“ umgeht.“
Ich war ein großer Fan von Andreas Altmann, bis ich die „Gebrauchsanweisung“ gelesen habe. Und der Kommentar „Zur ITB Reisemesse äußere ich mich nicht.“ bestärkt mich umso mehr.
Wie das Buch, so lebt AA anscheinend seine unübertroffene Arroganz und Intoleranz gegenüber anderen, die nicht so denken, leben, handeln wie er, auch in der Zeit, in der er nicht den „thrill“ auf seinen Reisen spürt.
Lieber AA, reisen bedeutet auch Toleranz gegenüber Andersdenkenden – nicht jeder sieht deine Art des Reisens als die Erfüllung und Erleuchtung an. Denn wenn man, nur um ein Beispiel zu nennen, knapp 300 Tage im Jahr harte, körperliche Arbeit verrichtet, kann so ein All Inclusive Urlaub durchaus das sein, dass diese Menschen vor der Arbeitsunfähigkeit bewahrt und ihnen wirklich Freude bereitet.
Und auch die Ablehnung der ITB kann ich nicht nachvollziehen, so ist sie doch ein Ort der Inspiration und Begegnung, nicht nur für Menschen in der Touristik, sondern auch für Besucher.
Keep an open mind!
Lieber Stefan,
vielen Dank für deinen ausgewogenen Kommentar. Mir geht es ähnlich wie dir. Auch ich fand die Bücher einstmals sehr gut. Mittlerweile lese ich daraus eine ausgesprochene Intoleranz Andersdenkenden gegenüber, was mich umso mehr verwundert, da der Autor selbst ja stetig Toleranz predigt und auch für sich in Anspruch nimmt. Mittlerweile denke ich, dass diese Freundlichkeit und Gelassenheit, die der Autor in seinen sich selbst attestiert, nur Fassade ist. Dahinter verbirgt sich ein äußerst selbstgerechtes, menschenverachtendes Ego. Leben und leben lassen – für Andreas Altmann eine ferne Lebensweishait. Sehr schade, denn ich habe ihn wirklich mal sehr gern gelesen.